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Auf dem Weg zum Nano-Datenspeicher

Forschungsteam der Uni Kiel speichert Information in einem einzelnen Molekül

Speichermedien sind in den letzten Jahren kontinuierlich kleiner geworden und erlauben, mehr Daten auf gleichem Raum zu speichern. Doch die Miniaturisierung der bisher verwendeten Technologie stößt nun auf fundamentale quantenmechanische Grenzen. Ein neuer Ansatz besteht darin, sogenannte Spin-Crossover-Moleküle als kleinste Speichereinheit zu verwenden.


Dr. Manuel Gruber (links) und Torben Jasper-Tönnies aus dem Institut für Experimentelle und Angewandte Physik verwenden ein RTM, um ein magnetisches Molekül auf einer Kupfernitrid-Oberfläche zu schalten und auszulesen. Foto/Copyright: Julia Siekmann, CAU


Ähnlich wie in herkömmlichen Festplatten können sie Informationen über ihren magnetischen Zustand speichern. Die Herausforderung besteht darin, diese Moleküle auf Oberflächen anzubringen, ohne ihre Speicherfähigkeit zu zerstören. Das ist nun einem Forschungsteam der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) gelungen. Es brachte nicht nur eine neue Klasse an Spin-Crossover-Molekülen erfolgreich auf einer Oberfläche an, sondern konnte auch bisher als hinderlich angesehene Wechselwirkungen nutzen, um die Speicherkapazität der Moleküle zu erhöhen. Die Speicherdichte herkömmlicher Festplatten ließe sich damit theoretisch um mehr als das Hundertfache erhöhen und Datenträger deutlich verkleinern. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Fachzeitschrift Nano Letters.
 
Ist ein Stromschalter an oder aus, ist eine Aussage wahr oder falsch, lautet eine Antwort ja oder nein? Die Unterscheidung zwischen zwei Möglichkeiten ist die kleinste Information, die Computer speichern können. Bits (zusammengesetzt aus „binary“ und „digit“, englisch für binäre Ziffer) sind als kleinste elektronische Speichereinheit der Grundbaustein für alle Informationen, die auf unseren Festplatten lagern. Sie werden durch die Abfolge von zwei unterschiedlichen Symbolen wie zum Beispiel 0 und 1 dargestellt, dem sogenannten binären Code. Im Zuge ihrer gesteigerten Leistungsfähigkeit wurden Speichermedien in den letzten Jahren immer kleiner. Mittlerweile nimmt ein Bit auf der Festplatte nur noch eine Fläche von ungefähr 10 mal 10 Nanometer ein. Für die zunehmende Miniaturisierung von Bauteilen ist das aber immer noch zu groß.
 
„Die Technologie, die derzeit in Festplatten zur Datenspeicherung verwendet wird, trifft bei der Größe eines Bits auf eine quantenmechanisch fundamentale Grenze. Sie kann eine weitere Miniaturisierung aus heutiger Sicht nicht leisten“, sagt Torben Jasper-Tönnies, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Professor Richard Berndt am Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der CAU. Ein Prinzip, das in Zukunft doch noch kleinere Festplatten mit größerer Speicherkapazität ermöglichen könnte, zeigen er und seine Kolleginnen und Kollegen am Beispiel eines einzelnen Moleküls, mit dem ein Bit gespeichert werden kann. „Unser Molekül ist gerade einmal einen Quadratnanometer groß. Man könnte schon allein dadurch eine hundertmal kleinere Fläche zum Speichern eines Bits verwenden“, berichtet sein Kollege Dr. Manuel Gruber. Dies wäre ein weiterer Schritt, um quantenphysikalische Grenzen in der Speichertechnologie zu verschieben.
 

Aus Bits werden Trits

 Das interdisziplinäre Forschungsteam aus dem Kieler Sonderforschungsbereich 677 „Funktion durch Schalten“ verwendet dazu ein Molekül, das nicht nur zwischen einem hohen und einem niedrigen magnetischen Zustand geschaltet werden kann. Angebracht auf einer speziellen Oberfläche lässt es sich dort außerdem um 45 Grad drehen. „Übertragen auf die Speichertechnologie könnten wir damit Informationen auf drei Zuständen, also 0, 1 und 2, abbilden“, erklärt Jasper-Tönnies. „Als Speichereinheit hätten wir damit kein Bit, sondern ein ‚Trit‘ realisiert.“ Aus dem binären würde also ein „trinärer Code“.
 
Die Herausforderung für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Chemie und der Physik bestand darin, ein passendes Molekül sowie eine geeignete Oberfläche zu finden und beides mit der richtigen Methode miteinander zu verbinden. „Magnetische Moleküle, sogenannte Spin-Crossover-Moleküle, sind sehr empfindlich und können leicht zerstört werden. Wir mussten also einen Mittelweg finden, um das Molekül auf der Oberfläche fest anzubringen und gleichzeitig seine Schalteigenschaft zu erhalten“, erklärt Gruber.
 

Ideale Kombination von Molekül und Oberfläche

 Am Ende gingen ihre Experimente auf: Chemikerinnen und Chemiker aus der Arbeitsgruppe um Professor Felix Tuczek am Institut für Anorganische Chemie der CAU stellten ein magnetisches Molekül einer besonderen Klasse her (ein sogenanntes Eisen(III)-Spin-Crossover-Molekül). Dieses Molekül ließ sich durch Aufdampfen gut mit einer Oberfläche aus Kupfernitrid verbinden, wie die Physiker Jasper-Tönnies, Gruber und Sujoy Karan herausfanden. Per Strom lässt es sich nicht nur zwischen verschiedenen Spin-Zuständen, sondern (im sogenannten „Low-Spin“-Zustand) auch zwischen zwei verschiedenen Orientierungen schalten. Die feine Spitze eines Rastertunnelmikroskops (RTM) übernimmt in ihren Experimenten die Funktion des Schreib- und Lesekopfs in der Festplatte. Mit seiner Hilfe lässt sich das Molekül als Speichermedium nicht nur „beschreiben“, sondern über Strom auch „auslesen“.
 
Die prinzipielle Anwendbarkeit der Moleküle als Datenspeicher wurde mit Hilfe eines eher voluminösen Rastertunnelmikroskops demonstriert. Bevor diese Moleküle wirklich als Datenspeicher für den industriellen Markt eingesetzt werden können, muss weiter geforscht werden, wie die Moleküle in einen kleinen Chip integriert werden können.
 
Die Arbeit entstand im Kieler Sonderforschungsbereich 677 „Funktion durch Schalten“. Rund 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Chemie, Physik, Materialwissenschaften, Pharmazie und Medizin arbeiten dort interdisziplinär daran, schaltbare molekulare Maschinen zu entwickeln. Der SFB wird seit 2007 durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft finanziert.


Kontakt

Dr. rer. nat. Manuel Gruber
Institut für Experimentelle und Angewandte Physik
Tel.: 0431.880-5091

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