Mit vielfältiger Forschung gegen COVID-19

Bundesforschungsministerin Anja Karliczek war heute zu Gast an der Universität zu Lübeck. Dort erhielt sie einen Überblick über die vielfältigen Forschungen, die hier aktuell zu COVID-19 unternommen werden. Dazu erklärt Bundesforschungsministerin Karliczek:

„Die Corona-Pandemie hat unser aller Leben auf vielfältige Wesen verändert. Auch die Forschung muss daher entsprechend breit aufgestellt sein. Denn im Kampf gegen das Corona-Virus ist Forschung ein wesentlicher Baustein. Ich bin beeindruckt, welch unterschiedliche Themenschwerpunkte die Universität zu Lübeck mit ihrer aktuellen Forschung zu COVID-19 abdeckt. In kürzester Zeit ist hier eine große Bandbreite an wichtigen Themen angegangen worden. Es geht von der medizinischen Forschung zu den Krankheitsmechanismen selbst bis hin zu den damit verbundenen technischen Aspekten, etwa im Bereich Beatmungsgeräte. Die Forschenden beschäftigen sich aber auch damit, wie man künstliche Intelligenz im Kampf gegen COVID-19 nutzen kann.

Im Einzelnen sind etwa zu nennen: Prof. Hilgenfeld mit seiner biomedizinischen Forschung mit Blick auf Therapielösungen. Aufgrund seiner Vorerfahrung sind Prof. Hilgenfeld zum neuartigen SARS-CoV-2-Virus sehr schnell wichtige Forschungsergebnisse gelungen. Er konnte die Kristallstruktur eines Schlüsselenzyms von SARS-CoV-2 aufklären und einen Wirkstoff kreieren, der die Vermehrung des Virus unterbindet. Dieser Forschungserfolg hat weltweit Beachtung erhalten. Jetzt muss der nächste Schritt gegangen werden, damit aus dem im Labor gefundenen Wirkmechanismus auch ein Medikament gegen Corornaviren wird. Wir sind alle gespannt auf die weitere Entwicklung.

Ein weiteres Thema ist KI in der Gesundheitsforschung, eines der großen Forschungsthemen von Prof. Mohammadi. Er arbeitet an vertrauenswürdigen KI-Methoden. Im Kontext von COVID-19 werden sie eingesetzt, um wichtige Dinge, wie die neue Corona-Warn App, in ihrer Anwendung zu stärken. Ein anderes gutes Beispiel ist die Arbeit von Prof. Rostalski und seinem Team. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der maschinellen Beatmung. Dieses Thema hat durch COVID-19 eine ganz neue Dynamik bekommen.

In der ELISA-Studie unter Prof. Klein wird nach Antworten gesucht, wie das neuartige Corona-Virus sich verbreitet und wie die häufig genannten Infektionswege sind, deren Nachverfolgbarkeit so wichtig ist. Die Bedeutung dieser Studie liegt damit klar auf der Hand. Sie hilft, Rückschläge zu vermeiden. Wir haben in den Wochen des Lock-down erfahren, wie sehr uns die notwendigen Einschränkungen unserer Freiheit getroffen haben. Doch auch wenn dieser Besuch all diese erfolgsversprechenden Ansätze gezeigt hat, dürfen wir keine Wunder erwarten. Gute Forschung braucht Zeit. Wir müssen nach wie vor davon ausgehen, dass Impfstoffe eher frühestens Mitte nächsten Jahres breit verfügbar sind. Und das wäre immer noch fast rasend schnell. Normalerweise dauern Impfstoffentwicklungen viele Jahre.

Bis dahin werden wir lernen, mit dem Virus umzugehen. Wir müssen versuchen, alle unsere Erkenntnisse, gewinnbringend für die gesamte Gesellschaft zu nutzen. Ich danke allen Forschenden für Ihren Einsatz für unsere Gesellschaft.“

Die Präsidentin der Universität zu Lübeck, Prof. Dr. Gabriele Gillessen-Kaesbach, begrüßte die Bundesministerin mit den Worten: „Wir freuen uns, Ihnen heute eine kleine Auswahl an Covid-19-Projekten der Universität vorstellen zu dürfen. Ein Thema, das unseren Alltag und unser Handeln in den vergangenen Monaten so stark bestimmt und verändert hat, spiegelt sich natürlich auch in allen Bereichen unserer Forschung wider. Von der Grundlagenforschung über die Biomedizintechnik bis hin zur Künstlichen Intelligenz sind Projekte hier im gerade fertiggestellten Biomedizinische Forschungszentrum vertreten. In einem zweiten Teil in unserem medizinischen Testzentrum in den Media Docks erfahren Sie dann noch etwas über ELISA, eine Längsschnittuntersuchung zu Infektionen mit SARS–CoV-2 in Lübeck.“

Zur Universität zu Lübeck insgesamt sagte Prof. Gillessen-Kaesbach unter anderem: „Wir sind eine relativ junge Profiluniversität, die sich der Medizin, den Lebens- und Gesundheitswissenschaften, der Biomedizintechnik und der Informatik verschrieben hat.“ Die Zahl der Studierenden der Universität habe sich in den letzten 15 Jahren mehr als verdoppelt. Prof. Gillessen-Kaesbach wies darauf hin, dass auf dem gemeinsamen Campus auch das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein mit seinem Lübecker Standort beheimatet ist. Durch die Fusion der Klinikstandorte Lübeck und Kiel 2003 ist das UKSH das zweitgrößte Universitätsklinikum in Deutschland. Ein weiterer Meilenstein in der Universitätsgeschichte sei die 2015 vollzogene Umwandlung in eine Stiftungsuniversität. Mit Blick auf die Drittmittelfinanzierung könne man „mit Sicherheit sagen, dass wir agil und dynamisch sind und gleichzeitig auf hohe Qualität achten“.

„Besonders stolz sind wir auf unsere Vorreiterrolle in der Akademisierung der Gesundheitsfachberufe. Als einzige Universität Deutschlands bieten wir derzeit alle Gesundheitsberufe in interdisziplinären Studiengängen an“, sagte die Präsidentin. „Darüber hinaus ist es uns sehr wichtig, Frauen in der Wissenschaft zu fördern. Durch proaktive Maßnahmen gelingt es uns zunehmend, Wissenschaftlerinnen gerade aus den Bereichen Naturwissenschaft und Technik und aus der Informatik nach Lübeck zu gewinnen.“

Hintergrund

Biochemische Strukturanalyse des Coronavirus (Prof. Dr. Rolf Hilgenfeld, Institut für Chemie und Metabolomics der Universität zu Lübeck):
Prof. Dr. Rolf Hilgenfeld forscht auf dem Gebiet der Coronaviren. Jüngst war es ihm und seiner Forschungsgruppe gelungen, die Kristallstruktur eines Schlüsselenzyms von SARS-CoV-2 aufzuklären und einen Wirkstoff zu kreieren, der die Vermehrung des Virus unterbindet. Die Ergebnisse wurden am 20. März in „Science“, der zusammen mit „Nature“ weltweit wichtigsten Wissenschaftszeitschrift, veröffentlicht und sorgten für breite Aufmerksamkeit. Schon während der SARS-Pandemie 2002/03 konnte er die dreidimensionale Struktur der Virus-Protease ermitteln und einen ersten Hemmstoff identifizieren. In der Folge baute er eine enge Partnerschaft mit chinesischen Forschungseinrichtungen auf. Prof. Hilgenfeld war von Januar 2003 bis Ende März 2020 Direktor des Instituts für Biochemie der Universität zu Lübeck. Er hatte für seine künftige Forschungsarbeit Angebote vom Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund und von der China Pharmaceutical University in Nanjing erhalten. Die Universität zu Lübeck hatte sich gemeinsam mit der Possehl-Stiftung wie auch dem Land Schleswig-Holstein erfolgreich darum bemüht, dass Prof. Hilgenfeld in Lübeck, auch nach seinem Eintritt in den Ruhestand, weiter über die erforderlichen Arbeitsbedingungen und eine gute Ausstattung verfügen kann. Derzeit ist Prof. Hilgenfeld maßgeblich an zahlreichen nationalen und internationalen COVID-19-Projekten beteiligt.


Konzepte der Künstlichen Intelligenz am Beispiel von Corona-Tracing-Apps (Prof. Dr. Esfandiar Mohammadi, Institut für IT-Sicherheit der Universität zu Lübeck):
Prof. Mohammadi arbeitet an vertrauenswürdigen KI-Methoden für datenschutzgerechte KI-Modelle. Die Forschungstätigkeiten zu COVID-19 konzentrieren sich auf die Entwicklung vertrauenswürdiger KI-Methoden, um sowohl die Fehlerquote bei Contact-Tracing-Apps (wie der Corona-Warn-App) zu verringern, als auch verteilte Erfassungssysteme der COVID-19 Lage (zum Beispiel mittels einer App) zu entwickeln. Da KI-Methoden aus Trainingsdaten lernen, diese Daten aber Spuren in KI-Modellen hinterlassen, würde eine unvorsichtige Nutzung persönlicher Daten zu berechtigten Datenschutzbedenken führen. Daher sind vorsichtige KI-Lernverfahren, welche praktisch keine Informationen über Individuen preisgeben unabdingbar für eine Systeme, welche für die breite Masse ausgerollt werden sollen. Seine Forschung umfasst neben vertrauenswürdiger KI-Methoden mit beweisbaren Datenschutzgarantien auch offensive Algorithmen, um diese Spuren sichtbar zu machen, die Verbesserungen der entwickelten Methoden zu illustrieren und damit Vertrauen zu schaffen. Das Ziel der Entwicklung von vertrauenswürdigen KI-Methoden ist die Nutzung persönlicher Daten in KI-Methoden (Stichwort Privacy-Preserving Federated Learning), welche keine Datenschutzbedenken hervorruft. Beispiele nützlicher persönlicher Daten im Kontext von COVID-19 sind Gespräche oder Umgebungsgeräusche, welche über das Smartphone-Mikrophon aufgenommen werden. Eine der Kernideen vertrauenswürdiger KI-Methoden ist, während der Lernphase den Einfluss eines jeden einzelnen Trainingsdatenpunktes zu beschränken. Auf diese Weise können wir KI-Methoden entwickeln, welche die Spuren einzelner Personen verschleiern, damit selbst persönliche Daten ohne Datenschutzbedenken genutzt werden können. Mittels persönlicher Daten werden wir sowohl eine Verbesserung der Genauigkeit von Contact-Tracing-Apps (wie der Corona-Warn App) ermöglichen, als auch die Erhebung weiterer epidemiologisch relevanter Statistiken datenschutzgerecht ermöglichen. Beispiele wären Statistiken über die Größe von Menschenansammlungen oder über typische Arbeitswege.


Neue Entwicklungen in der Medizin- und Beatmungstechnik (Prof. Dr. Philipp Rostalski, Institut für Medizinische Elektrotechnik der Universität zu Lübeck):
Prof. Rostalski beschäftigt sich neben den aktuellen COVID-19 Projekten, die in den letzten Wochen gestartet wurden, seit vielen Jahren mit der maschinellen Beatmung. Viele von diesen Themen haben durch COVID-19 eine neue Dynamik bekommen. Konkret arbeitet er derzeit an folgenden COVID-19 Projekten: 1) COVID-19 Beatmungsgeräte: Der große Bedarf an Beatmungsgeräten in der Welt wurde durch die COVID-19 Pandemie offensichtlich. Auch wenn in den reichen Industrienationen der Bedarf an Beatmungsgeräten derzeit gedeckt zu sein scheint, ist weltweit immer noch eine deutliche Unterversorgung zu beobachten. Sein Institut unterstützt zwei Projekte zur Entwicklung von COVID-19 Beatmungsgeräten, die mit einer Sonderzulassung diesen Bedarf decken könnten. 2) sEMG zur COVID-19 Behandlung: Bei der Behandlung von COVID-19 ist zu beobachten, dass die Patient*innen einen sehr hohen Atemantrieb zeigen, der über den resultierenden sehr hohen transpulmonalen Druck das Potential hat, die Lunge nachhaltig zu schädigen. Leider ist dieser vom Patienten erzeugte Druckanteil nur sehr schwer zu bestimmen und erfordert typischerweise eine invasive Ösophagusdruckmessung. Sein Institut arbeitet seit einigen Jahren an oberflächenelektromyographischen Messmethoden (sEMG) zur Bestimmung dieses Atemantriebs. Dabei kommen auch Methoden der künstlichen Intelligenz zum Einsatz. Zusammen mit Kooperationspartnern an der Berliner Charite untersucht er derzeit insbesondere auch sEMG-Daten von COVID-19 Patient*innen, um die Beatmung ggf. mit Hilfe dieser Information noch effektiver und weniger lungenschädigend einstellen zu können. 3) Assistenzsysteme: Ein weiteres Thema, welches bei der Behandlung von COVID-19 noch einmal sehr deutlich geworden ist, ist die hohe Komplexität der lungenschonenden Einstellung der Beatmung, welche neben geeigneten Beatmungsgeräten und geeigneten Sensoren auch sehr gut ausgebildetes Fachpersonal erfordert. Um die patientenindividuelle Einstellung des Beatmungsgerätes zu unterstützen arbeiten er an Assistenzsystemen und physiologischen Regelkreisen, die beispielsweise den Gasaustauch optimal regeln.


Lübecker Corona-Längsschnittstudie ELISA (Prof. Dr. Christine Klein, Institut für Neurogenetik der Universität zu Lübeck):
Die bestehende Unsicherheit im Hinblick auf einen möglichen Anstieg der Infektionszahl resultiert aus dem aktuell noch eingeschränkten Wissen über Verbreitung, Infektionswege und Gefährlichkeit der neuartigen Viruserkrankung. Um Informationslücken zur Infektion mit dem Corona-Virus zu schließen, haben sich Wissenschaftler der Universität zu Lübeck und des UKSH, mit der Stadt Lübeck, dem Land Schleswig-Holstein und dem Gesundheitsamt Lübeck zu einem Forschungsverbund zusammengeschlossen und eine breit angelegte Untersuchung initiiert. Die ELISA-Studie soll Aufschluss über die tatsächliche Ausbreitung des neuartigen Corona-Virus (SARS-CoV-2) geben. Insbesondere soll untersucht werden, inwieweit sich die Maßnahmen zum „Social Distancing“ und ihre Lockerung auf die weitere Verbreitung von SARS-CoV-2 auswirken. Über 20.000 Menschen aus dem Großraum Lübeck sollen via Smartphone-App pseudonymisierte Informationen zu ihrer Person und ihrem Alltag geben und alle drei Tage in einem Zeitraum von zwölf Wochen einen Symptomfragebogen ausfüllen. Die Studienteilnehmer werden in eine Risikogruppe und eine Nicht-Risikogruppe aufgeteilt. Aus diesen Gruppen werden die Teilnehmer dann per Zufall für die Testung ausgewählt. Insgesamt sollen 3.000 zufällig ausgewählte Teilnehmer im Studienzentrum auf eine aktive und überstandene Infektion mit SARS-CoV-2 untersucht werden.

 

Weitere Informationen

Startschuss für Längsschnitt-Untersuchung: Studie "ELISA" zur Ausbreitung von Coronavirus SARS-CoV-2 in der Bevölkerung

Was tut das BMBF gegen COVID-19? Weitere Informationen zu Förderaktivitäten finden Sie hier: www.bmbf.de/coronavirus

 

Kontakt

Universität zu Lübeck

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